Zwischen 2000 und 2006 ließen die Nationalen Gesundheitsinstitute der USA untersuchen, ob die Hautfarbe der Antragssteller*innen bei der Vergabe von Fördergeldern eine Rolle spiele. Bereits bei der Auswertung der gestellten Anträge zeigte sich, dass die Schwarze Bevölkerung unter den Forschenden deutlich unterrepräsentiert ist. Und auch die eigentliche Frage der Untersuchung konnte mit einer erschreckenden Eindeutigkeit beantwortet werden: Schwarze Wissenschaftler*innen hatten um 13 Prozent geringere Chancen gefördert zu werden als Weiße.
Hinzu kommt, dass selbst die Schwarzen Wissenschaftler*innen, die, auch außerhalb der USA, bedeutende chemische Entdeckungen gemacht haben, in der wissenschaftlichen Literatur häufig vernachlässigt werden und im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent sind. Wir wollen in diesem Artikel gezielt einen Blick auf einige Schwarze Wissenschaftler*innen werfen, denen wir bedeutende Entdeckungen und Entwicklungen zu verdanken haben, die in verschiedensten Bereichen entscheidende Fortschritte angestoßen haben.
George Washington Carver
George Washington Carver wurde um 1864 gegen Ende des Bürgerkrieges in Missouri geboren. Seine Mutter war Sklavin auf der Farm eines gewissen Moses Carver. Als Kleinkind wurde er zusammen mit seiner Mutter von konföderierten Nachträubern entführt. Nach dem Krieg gelang es Moses Carver, den Jungen wiederzufinden und er nahm ihn wie sein eigenes Kind in seine Familie auf. Die Mutter galt als verschollen.
Auf der Farm eignete sich George Washington Carver ein immenses Fachwissen über die Pflege von Pflanzen an, sodass er in der Nachbarschaft als „Pflanzendoktor“ bekannt wurde. Aufgrund der Rassentrennung war es ihm nicht erlaubt, in der Nähe seines Wohnorts die Schule zu besuchen. Deshalb zog er im Alter von 12 Jahren alleine nach Newton County, um dort zur Schule zu gehen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Landarbeiter.
1890 wurde er schließlich als erster Schwarzer Student am Simpson College in Indianola, Iowa, aufgenommen, wo er zunächst Kunst und Klavier studierte. Seine Lehrerin erkannte seine Leidenschaft für Pflanzen und riet ihm, Botanik zu studieren. So wechselte er an das Iowa Agricultural College (heute Iowa State University), das er 1896 mit einem Master of Science in bakterieller Botanik und Landwirtschaft abschloss.
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Er war der erste Schwarze, der in den USA einen Universitätsabschluss machte und am Iowa Agricultural College unterrichtete. Seine Kurse behandelten vor allem die Themengebiete Bodenschutz und Chemurgie (Gewinnung chemischer Produkte aus land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen). 1897 wurde George Washington Carver als Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung an das Tuskegee Institute, einer neugegründeten afroamerikanischen Bildungseinrichtung berufen.

In seiner Stellung setzte sich George Washington Carver dafür ein, das Bildungsniveau ehemaliger Sklaven zu erhöhen und Kleinbauern über neue Anbaumethoden zu unterrichten, mit denen auf den, von der Baumwollmonokultur geschädigten Felder, größere Erträge erzielt werden konnten. In seiner mobilen Schule, dem Jesup Wagon, fuhr er durch die Region und klärte über eine von ihm entwickelte Fruchtfolge auf, bei der Baumwolle und Erdnüsse im Wechsel gepflanzt werden.
Da die Methode äußerst erfolgreich war und Unmengen an Erdnüssen geerntet wurden, forschte Carver an weiteren Verwendungsformen der Erdnuss, die bis dahin vornehmlich als Viehfutter gedient hatte. Insgesamt fand er um die 300 Verwertungsmöglichkeiten, darunter beispielsweise in der Herstellung von Klebstoffen, Brennstoffplatten, Seife, Straßenbelag und zahlreichen Lebensmittel. George Washington Carver gilt heute als der Erfinder der Erdnussbutter. Zusätzlich beschäftigte er sich auch mit der Verwertung von weiteren Pflanzen, wie der Süßkartoffel und der Sojabohne. Große Erfolge erzielte Carver vor allem bei der Gewinnung von pflanzlichen Farbstoffen.
Der Agrarchemiker George Washington Carver hat die Landwirtschaft revolutioniert und die Entwicklung von zahlreichen, bis heute genutzten, Produkten initiiert. Er starb am 5. Januar 1943 in Tuskegee, Alabama.
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Alice Ball
Alice Augusta Ball wurde 1892 in Seattle, Washington, als Tochter einer afroamerikanischen Familie, die zur Mittelschicht gezählt werden kann, geboren. Ihr Vater war Zeitungsredakteur, Rechtsanwalt und, wie die Mutter, die Tante und der Großvater, Fotograf. Letzterer war der erste Afroamerikaner, der die Daguerreotypie, das erste kommerziell nutzbare Fotografie-Verfahren, beherrschte.
Als kleines Mädchen verbrachte Alice Ball viel Zeit im Labor ihres Großvaters, wo sie ihre Leidenschaft für die Chemie entdeckte. Sie besuchte die Seattle High School und studierte anschließend an der University of Wahington pharmazeutische Chemie und Pharmazie. Gemeinsam mit einem ihrer Dozenten veröffentlichte sie 1914 einen Artikel in einer renommierten Fachzeitschrift, was zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich weißen Männern vorbehalten war.

In der Folge setzte sie ihr Studium am College of Hawaii (heute University of Hawaii) fort, wo sie als erste Person of Color und als erste Frau 1915 einen Master-Abschluss machte. Für ihre Master-Arbeit untersuchte sie den chemischen Aufbau und das Wirkprinzip der Kava-Pflanze. Mit dieser Forschungstätigkeit weckte sie das Interesse des Arztes Harry T. Hollmann, der sie darum bat, sich zusätzlich dem Öl aus dem Chaulmoogra-Baum zu widmen.
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Chaulmoograöl wurde bereits seit einer Weile in der Behandlung von Lepra (Morbus Hansen) eingesetzt; jedoch mit nur mäßigem Erfolg, da es keine geeignete Verabreichungsform gab. Innerhalb eines Jahres fand Alice Ball eine Möglichkeit, wie das Öl injiziert werden konnte, ohne schwerwiegende Nebenwirkungen zu erzeugen. Sie entdeckte die wasserlösliche Ethylester-Form des Öls, in der sich die Wirkstoffe im Blutkreislauf auflösen können.
Noch bevor sie ihre Ergebnisse veröffentlichen konnte, erkrankte Alice Ball schwer und verstarb 1916 im Alter von nur 24 Jahren. Ihre Arbeit hatte jedoch große Auswirkungen. Bis in die 1940er Jahre hinein ermöglichte die Ball-Methode die einzige wirksame Behandlung von Lepra.
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Percy Lavon Julian
Percy Lavon Julian wurde 1899 in Montgomery, Alabama geboren. Während seiner Kindheit hatten Schwarze Menschen in Alabama nur einen sehr begrenzten Zugang zur Schulbildung. Seine Eltern bauten deshalb für ihre sechs Kinder eine eigene Bibliothek auf, in der sie ich eigenständig bilden konnten. In der Absicht eine universitäre Ausbildung zu erhalten, zog Percy Lavon Julian 1916 in den Bundesstaat Alabama, wo er an der De Pauw University Chemie studierte.
Auf Grund der mangelnden Vorbildung musste er zahlreiche Nachholkurse belegen, was ihn aber nicht daran hinderte, 1920 als Jahrgangsbester abzuschließen. Dieser Erfolg konnte den vorherrschenden Rassismus aber nicht eindämmen, Julians Dozenten rieten ihm wegen seiner Hautfarbe von einer wissenschaftlichen Karriere ab.
Nachdem er zwei Jahre lang unterrichtet hatte, entschloss sich Percy Julian allen Widerständen zu trotz, seine Studien fortzusetzten. Seinen Master-Abschluss in Biophysik und Organischer Chemie machte er 1923 an der Harvard University und acht Jahre später promovierte er an der Universität Wien.

In der Folge kehrte er für vier Jahre als Leiter eines Forschungsprogramms für Studierende der Organischen Chemie an die De Pauw University zurück. Dort gelang ihm 1935 die Synthese von Physostigmin aus der Calabar-Bohne, was entscheidend zur Entwicklung eines Medikaments gegen den Grünen Star (Glaukom), das bis heute verwendet wird, beigetragen hat. Trotz der daraus resultierenden internationalen Anerkennung verwehrte ihm die Universität den Professorentitel.
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Aus diesem Grund setzte Percy Julian ab 1936 seine Forschung bei der Glidden Company, einem Hersteller von Farben und Lacken, fort. In seiner Funktion als Forschungsleiter war er an der Entwicklung der beliebten Latexfarben der Firma beteiligt und isolierte ein Sojaprotein, aus dem ein feuerlöschender Schaum hergestellt wurde, der im Zweiten Weltkrieg bei der US-Navy zum Einsatz kam.
Die Beschäftigung mit Sojabohnen führte auch zu weiteren bedeutenden Fortschritten in der Medizin. Die Synthese von Cortison ermöglichte die billige Herstellung von entzündungshemmenden Medikamenten, die die Symptome von Rheuma, Asthma und Allergien lindern können.
Neben seiner weitreichenden Forschungstätigkeit war Percy Lavon Julian auch in der Bürgerrechtsbewegung aktiv; unter anderem als Spendensammler für die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People), einer der einflussreichsten Schwarzen Bürgerrechtsorganisationen.
1954 hatte Percy Julian sein eigenes Unternehmen gegründet. Durch den Verkauf der erfolgreichen Firma 1961 wurde er zu einem der ersten Schwarzen Millionäre in der Geschichte der USA. Bis zu seinem Tod 1975 widmete er sich seiner gemeinnützigen Organisation, dem Julian Research Institute.
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Eine Auswahl an weiteren bedeutenden Schwarzen Chemiker*innen

Nachdem wir dir drei herausragende Persönlichkeiten im Detail vorgestellt haben, möchten wir noch einige weitere bedeutende Schwarze Chemiker*innen nennen, die ihren Beitrag zur Geschichte geleistet haben.
- Norbert Rillieux (1806-1894): Chemieingenieur; erfand einen Mehrfacheffektverdampfer, der die Raffinierung von Zucker beschleunigte
- Saint Elmo Brady (1884-1966): erste Schwarze Person, die in den USA die Doktorwürde in Chemie erlangt hat; Beteiligung an der Entwicklung von Graduiertenprogrammen und Studien-Lehrplänen; Spendensammlung zur Gründung von vier historisch Schwarzen Universitäten und Colleges
- Beebe Steven Link (1872–1948): eine der ersten afroamerikanischen Chemielehrerinnen in den USA; wichtige Rolle im frühen Black Women's Club Movement
- Lloyd Hall (1894-1971): Entwicklung von Techniken zur Lebensmittelkonservierung
- Samuel P. Massie Jr. (1919-2005): erster Schwarzer Professor der US Naval Academy; Patent für eine chemische Verbindung zur Behandlung von Gonorrhoe, Malaria und bakteriellen Infektionen; Mitbegründer des Black Studies-Programms
Alle hier vorgestellten Personen sind zu einem Zeitpunkt geboren, zu dem Schwarze nur schwer einen Zugang zu Bildung erhalten haben. Ihre Leistungen waren für nachfolgende Generationen von großer Bedeutung; aber vor allem waren diese Karrieren in der von Rassismus durchzogenen Wissenschaft keineswegs so selbstverständlich, wie die von weißen Chemiker*innen. Bis heute ist noch keine einzige Schwarze Person mit einem Nobelpreis in Chemie oder Physik ausgezeichnet worden.