Was macht eigentlich einen guten Geiger aus? Muss er einfach die richtigen Töne treffen und über eine solide Spieltechnik verfügen, solange er ein möglichst großes Publikum für sich begeistern kann? Oder geht es doch mehr um eine Virtuosität, die sich auch in der künstlerischen Interpretation niederschlägt, aber unter Umständen nur wenige Menschen erreicht?
David Garrett ist ein Musterbeispiel für dafür, dass es am Ende eine Frage der Perspektive ist. Von seinem internationalen Publikum wird er gefeiert und hochgejubelt, in der Welt der Klassik jedoch immer wieder scharf kritisiert. David Garrett polarisiert, so viel ist klar.
In diesem Artikel wollen wir dir den berühmten Geiger näher vorstellen und seinem ambivalenten Ruf auf den Grund gehen. Du erfährst mehr über seinen Werdegang; von den Anfängen in der klassischen Musik über seinen Aufstieg zum Stargeier mit Rock-Flair bis hin zum Soundtrack für den Film Der Teufelsgeiger und seinem neusten Album Alive aus dem Jahr 2020. Nach einigen interessanten Fakten über sein Leben und Wirken schließen wir den Artikel mit einer Betrachtung seiner Stellung in der aktuellen Musiklandschaft.
Brauchst du Geigenunterricht Hamburg?
Klassik und Genialität: Die jungen Jahre des David Garrett
David Garrett wurde 1980 als Sohn einer amerikanischen Balletttänzerin und eines deutschen Juristen, der nebenberuflich auch als Geigenauktionator und -lehrer arbeitete, in Aachen geboren. So kam er schon früh in Kontakt mit der Violine und gewann im Alter von fünf Jahren seinen ersten Preis bei Jugend musiziert.
Sein erstes öffentliches Konzert gab Garrett 1990 mit den Hamburger Philharmonikern. Mit 13 Jahren unterschrieb er als jüngster Künstler überhaupt einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon, worauf intensive Studioaufnahmen folgten und lange Konzertreisen mit renommierten Orchestern und Dirigenten führten ihn quer durch Europa und bis nach Japan.
David Garrett war nicht einfach ein Kind, das etwas besser Geige spielen konnte als andere. Schon in jungen Jahren wurde sein außerordentliches musikalisches Gefühl entdeckt, gelobt und gefördert. Seine Phrasierungen, die Tonqualität, das breite Spektrum von Klangfarben sowie die Originalität und Frische in der Interpretation brachten ihm den Ruf eines Wunderkindes ein. Damit hat er so einiges mit der Virtuosin Anne-Sophie Mutter gemeinsam.
Der legendäre Violin-Virtuose Yehudi Menuhin nannte ihn den „größten Violinisten seiner Generation” und bekannte Violinist*innen wie Zakhar Bron und Ida Haendel unterrichteten den aufsteigenden Star der klassischen Musik.
Ein Meilenstein und gleichzeitig Wendepunkt in Garretts früher Karriere stellte 1997 das Album Paganini Caprices dar. In kürzester Zeit erarbeitete sich der erst fünfzehnjährige Geiger die von Niccolò Paganini komponierten 24 Capricci, die zu den anspruchsvollsten Stücken der Solo-Literatur für Geige gehören. Das Album wurde von der Kritik von der hoch gelobt.
Wie so viele sogenannte Wunderkinder, die bereits in ihrer Jugend zurück auf eine bemerkenswerte Karriere blicken können, stellte sich auch bei David Garrett, laut eigenen Angaben, das Gefühl der Fremdbestimmtheit ein. Nur für kurze Zeit schrieb er sich auf Bitte seiner Eltern am Royal College of Music in London ein und wechselte schließlich 1999 an die Juilliard School in New York, wie er es sich immer gewünscht hatte.
In New York wurde Garrett von dem bekannten Geiger Itzhak Perlman unterrichtet. Gleichzeitig erlaubte ihm das neue Umfeld Begegnungen mit Künstler*innen aus anderen Sparten. Durch das Einspielen von Musik für Schauspieler*innen und Tänzer*innen entdeckte er eine andere Welt, die sein Interesse von der traditionellen Klassik auf die Möglichkeiten des Spiels mit den Genres lenkte.
Wer sind die bekanntesten Geiger der Gegenwart? Erfahre hier mehr über Daniel Hope und Nicola Benedetti.
Hinwendung zum Crossover: Der Aufstieg zum internationalen Stargeiger
Im Jahr 2007 kehrte David Garrett zurück in die Musikstudios und auf die große Bühne. Sein erstes Crossover-Album Free (in Deutschland unter dem Namen Virtuoso veröffentlicht) wurde über 300.000-mal verkauft und schaffte es in mehreren Ländern in die Charts. Das bekannteste Stück auf dem Album ist die symphonische Adaption des Metallica-Hits Nothing Else Matters.
Das Besondere an David Garrett ist die Vereinigung verschiedener Genres sowie der Event-Charakter seiner Konzerte. Er spielt Rock-Songs begleitet von einem großen Orchester, widmet sich der Filmmusik genauso wie bedeutenden Stücken der klassischen Musik, die er in modernisierten, popmusikalischen Arrangements einspielt, und veranstaltet große Shows mit aufsehenerregenden Licht- und Special-Effekten.
Ausgedehnte Tourneen führten ihn in so manch eine große Konzert-Arena auf der ganzen Welt. Die Tickets für Garretts Auftritte verkaufen sich in Windeseile und das Publikum bereitet ihm einen Empfang, wie er einem Rock-Star gebührt. Auch die Verkaufszahlen seiner Platten sprechen ihre eigene Sprache. Von Virtuoso bis Alive schafften es alle seine Alben der letzten 15 Jahre in die Charts und wurden mit unzähligen Gold- und Platin-Schallplatten ausgezeichnet.
Ein privater Geigenunterricht in Berlin ist immer eine gute Idee.
Als einer von nur wenigen Künstler*innen wurde David Garrett bei ECHO-Preisverleihung sowohl in der Sparte Klassik als auch Pop geehrt. Bisher wurden ihm 4 Pop ECHO und 5 Klassik ECHO verliehen. Darunter befinden sich Auszeichnungen als Bestseller des Jahres für verschiedene Alben, als bester Künstler Pop/Rock (national) und für die erfolgreichste Musik-DVD-Produktion (national).
Im Jahr 2013 nahm David Garrett das Angebot an, sein Debut als Schauspieler u geben und verkörperte in Der Teufelsgeiger die Rolle des Violin-Virtuosen Niccolò Paganini. Der Film selbst fiel bei der Kritik durch. Gelobt wurde jedoch das Geigenspiel Garretts, der nicht nur selbst die Geige einspielte, sondern auch die Orchesterbearbeitung der Paganini-Stücke für den Soundtrack zu verantworten hatte.
Im Jahr 2018 veröffentlichte David Garrett das Greatest-Hits-Album Unlimited, auf dem neben seinen bekanntesten Aufnahmen von Pop- und Rock-Klassikern auch neue Akustikversionen seiner größten Hits sowie bisher unveröffentlichte Eigenkompositionen zu hören sind. Gefeiert wurde die Veröffentlichung mit einer ausgedehnten Unlimited-Tour. Das Konzert in der Arena von Verona wurde aufgezeichnet und als DVD veröffentlicht.
Mit Alive - my Soundtrack erschien 2020 ein neues Studioalbum, das stilistisch nahtlos an seine Vorgänger anknüpft und die Lieblingssongs und -Stücke des Stars aus Klassik, Rock und Pop in neuem Kleid präsentiert. Neben seinen Crossover-Projekten spielt Garrett nach wie vor als Solist mit bedeutenden Orchestern zusammen oder widmet sich der Kammermusik.
Durch eine außergewöhnliche Vielseitigkeit zeichnet sich auch der klassische Violinist Joshua Bell aus.
Erfolge und Skandale des Stars: Der polarisierende Schönling David Garrett
Wie es sich für einen Rock-Star gehört, wird das öffentliche Interesse an David Garret von den Medien gerne bedient. So erscheinen immer wieder Artikel, die über seine Aktivitäten außerhalb des Studios und der Konzert-Arena berichten.
Eine Erfolgsmeldung, die sich ins Bewusstsein vieler Leser*innen eingebrannt hat, war der Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde als schnellster Geiger der Welt von 2008 bis 2010. Die Eintragung erfolgte nachdem er in einer britischen Kindersendung über die Geige den berühmten Hummelflug von Nikolai Rimski-Korsakow in Rekordzeit mit 13 Noten pro Sekunde fehlerfrei spielte. Übertroffen wurde diese Leistung 2010 von dem britischen Violinisten Ben Lee.
Bist auch du fasziniert von der Violine? Im Geigen Unterricht kannst du deine Leidenschaft ausleben.
Im Laufe der Jahre wurde David Garrett wiederholt zu großen Sportveranstaltungen eingeladen, um sie mit der Nationalhymne zu eröffnen. In diesem Rahmen spielte er auch vor seinem größten Publikum von 75.000 Zuschauer*innen bei der Eröffnungsveranstaltung des UEFA Champions League-Finales 2012 in der Allianz Arena München.
Nicht nur bei seinen Fans sorgt auch die Frage nach der Geige, die David Garret spielt immer wieder für reges Interesse. Tatsächlich hat er im Laufe seiner Karriere bereits auf mehreren berühmten alten Violinen gespielt.
Ab 1993 wurde ihm von der Aachener Talbot-Stiftung die San Lorenzo (1718) von Antonio Stradivari zur Verfügung gestellt. Er selbst ist seit 2003 im Besitz einer 1772 von Giovanni Battista Guadagnini gebauten Violine, die jedoch 2008 bei einem Sturz schwer beschädigt wurde. Seit 2010 spielt er auf der, von einem anonymen Eigentümer zur Verfügung gestellten, Stradivari-Geige Ex A. Busch (1716).
Den größten medialen Skandal ereilte David Garrett 2016, als ihm seine Ex-Freundin Ashley Youdan Körperverletzung vorwarf. Garrett reichte Gegenklage wegen Rufschädigung ein und das Verfahren wurde schließlich mit einem Vergleich abgeschlossen. Trotzdem wurde das Bild des bis dahin eher brav wirkenden Stars angekratzt. Erst zwei Jahre später äußerte sich Garrett in einem Interview zu dem Thema und blickte auf die Zeit der Anschuldigungen, als auf die schwierigste seines Lebens zurück.
Geblieben ist ihm der Ruf als gutaussehender Rock-Star trotzdem. Kaum eine Frage beschäftigt viele seiner weiblichen Fans so sehr wie die nach einer möglichen Freundin. Beantworten kann sie wohl nur der Stargeiger selbst.
Kritik und Jubel für David Garrett: Ein Geiger zwischen zwei Welten
Dass David Garrett einer der erfolgreichsten und bekanntesten Geiger der Gegenwart ist, kann man nicht bestreiten. Zahlreiche Hits, Millionen verkaufter Tickets, rekordverdächtige Album-Verkäufe und mediale Präsenz vom seriösen Interview bis hin zum Skandal-Artikel haben ihn zum Rock-Star unter den Violinisten gemacht.
Wie es bereits vor ihm die Geigerin Vanessa Mae vorgemacht hat, lässt sich mit Crossover und der Inszenierung als jugendlicher Popstar ein Publikum erreichen, das sich normalerweise nicht für instrumentale Geigenmusik und schon gar nicht für klassische Musik interessieren würde.
Gerade aus der Welt der Klassik muss sich David Garrett aber immer wieder scharfe Kritik gefallen lassen. Er wurde schon als „André Rieu 2.0“ oder „Jörg Pilawa der klassischen Musik“ bezeichnet. Zu langweilig, weichgespült, unoriginell und ausdruckslos sei seine Musik. Tatsächlich hat er sich mit seinen Crossover-Alben und Event-Konzerten weit von den Konventionen der Klassikszene entfernt. Auch sein Spiel hat vieles von der Genialität des Wunderkindes eingebüßt.
Der immer gern provozierende Stargeiger Nigel Kennedy, der selbst mit verschieden Musikgenres spielt und experimentiert, formulierte es in einem Interview mit der Bild am Sonntag folgendermaßen: „David kann Geige spielen. Er trifft den richtigen Ton.“ Damit spielte er auf die Originalität der Interpretation und die Feinheiten in der Spielweise an, die von einem klassischen Violin-Virtuosen erwartet werden und die David Garrett in seinen Pop- und Rock-Arrangements sowie durch den Sound der elektrisch verstärkten Violine vermissen lässt.
Kennedy ging sogar so weit zu sagen: "Käme David Garrett zu mir auf die Bühne, würde ich sagen: Runter hier!" Die Wahl, sich zwischen den Welten von Klassik und Pop/Rock zu bewegen, macht David Garrett zu einer perfekten Zielscheibe für Kritik dieser Art. Er hat etwas Neues geschaffen und dabei den Punkt, der in der sogenannten ernsten Musik eine zentrale Stellung einnimmt, vernachlässigt.
Aber hat ein Musiker, der so viele Menschen begeistern kann wie David Garrett, nicht automatisch seine Berechtigung in der vielseitigen Musiklandschaft unserer Zeit?