Im Jurastudium müssen die Studentinnen und Studenten ja bekanntlich zahlreiche Klausuren und Hausarbeiten schreiben. Den Höhepunkt im Jurastudium bildet dann das Erste Juristische Staatsexamen.
Nach erfolgreich absolviertem Studium und Examen, geht es dann mit dem Referendariat weiter. Auch im Referendariat kommst Du um die ein oder andere Klausur nicht herum. Das krönende Ende findet die juristische Ausbildung dann im Zweiten Juristischen Examen.
Bei all den Klausuren und Hausarbeiten ist es deshalb extrem wichtig, nicht nur die Inhalte des Studiums, sondern auch das Schreiben selbst zu trainieren. Dazu gehört nicht nur, dass du den Gutachtenstil im Schlaf beherrschen solltest, sondern auch die richtige Darstellung juristischer Meinungsstreits.
Nach folgendem Schema kannst du ein Argument aufbauen:
- Einleitung des Problems
- Darstellung der ungleichen Ansichten
- Stellungnahme mit verschiedenen Argumenten
Du weißt nicht was ein juristischer Meinungsstreit ist? Oder bist Dir einfach unsicher, wie Du solch juristische Streitstände ordentlich und richtig in Deine Klausur oder Hausarbeit integrieren sollst? Genau aus diesem Grund haben wir von Superprof diesen Artikel geschrieben!
In diesem Beitrag erfährst Du, was eigentlich ein juristischer Meinungsstreit ist und was Du bei der Abhandlung beim Hausarbeiten schreiben beachten musst.
Was ist ein juristischer Meinungsstreit?
Juristische Meinungsstreitigkeiten begegnen Dir in sämtlichen Rechtsgebieten, egal ob Zivilrecht, Öffentliches Recht oder Strafrecht. Die Grundlagen des BGB sind genauso von Bedeutung wie die Rechtsordnung des öffentlichen Rechts.
Außerdem bildet der Meinungsstreit oft den Schwerpunkt der Klausur oder Hausarbeit. Hier kannst Du Dir die nötigen Punkte für eine gute bist sehr gute Note holen. Deshalb sollten juristische Streitstände gründlich und richtig dargestellt werden.

Aber was ist den nun ein juristischer Meinungsstreit?
Ein juristischer Meinungsstreit liegt vor, wenn ein rechtliches Problem keine eindeutige Lösung hat, es also unterschiedliche Beurteilungen und Auslegungen dazu gibt. Bei der Bearbeitung eines Streitstandes mithilfe der Anwendung von Gesetzen, ergeben sich oft unterschiedliche Ansichten.
Meistens gibt es innerhalb solcher juristischer Streitstände eine herrschende Meinung, also eine Auslegung, der von den meisten Juristinnen und Juristen gefolgt wird. Die Rechtsprechung lebt aber davon, dass es eben auch unterschiedliche Annahmen gibt.
Daher solltest Du in Klausuren und Hausarbeiten nicht einfach blind der herrschenden Meinung folgen, ohne den juristischen Streit und andere Ansichten darzulegen.
Den Prüfern und Prüferinnen geht es nämlich nicht darum zu sehen, wie gut die Studenten und Studentinnen die herrschende Meinung auswendig gelernt haben. Du sollst Dich vielmehr selbst kritisch mit dem rechtlichen Streit auseinandersetzen.
Deshalb ist es auch sinnvoll, die verschiedenen juristischen Auslegungsmethoden zu beherrschen!
Wie stelle ich juristische Streitstände richtig dar?
Entscheidend ist nicht nur, juristische Meinungsstreits zu erkennen, sondern den Streit auch innerhalb beim Subsumieren richtig darstellen zu können. Neben der Darstellung der ungleichen Ansichten, geht es vor allem darum darzulegen, welches Argument überzeugender ist.
Bezeichnet den Vorgang, bei dem ein konkreter Sachverhalt einem abstrakten Rechtsbegriff zugeordnet wird. Dabei wird geprüft, ob ein bestimmter Tatbestand oder eine bestimmte Handlung unter eine rechtliche Norm fällt.
Im Folgenden zeigen wir Dir anhand des Beispiels der Heimtücke nach § 211 II StGB, was Du bei der Darstellung juristischer Streitstände beachten solltest und wie Du am besten vorgehst.
1. Den Meinungsstreit identifizieren und vorstellen
§ 211 II StGB beschreibt die Tatbestandsmerkmale beim Mord. Ein Mordmerkmal ist die sogenannte Heimtücke, die allgemein so definiert wird: Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt.
Diese Definition ist allerdings sehr weit und würde theoretisch jede überraschende Tötung zum Mord aus Heimtücke machen. Deshalb ist hier eine restriktive Auslegung, also eine einschränkende Auslegung, des Mordmerkmals "Heimtücke" notwendig.

Wie diese restriktive Auslegung auszusehen hat, ist allerdings umstritten. Im ersten Schritt solltest Du eben dieses Problem identifizieren und vorstellen.
Das könnte zum Beispiel so aussehen:
"Ob hier ein Mord aus Heimtücke vorliegt, ist allerdings umstritten. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt. Da diese Definition allerdings zu weit ist, bedarf es einer restriktiven Auslegung. Zur Frage, wie das Mordmerkmal der Heimtücke einzuschränken ist, gibt es jedoch mehrere Ansichten."
Nur mit der richtigen Klausurtechnik wirst Du im Jurastudium Erfolg haben!
2. Präsentation und Subsumtion der ersten Auffassung
Im nächsten Schritt solltest Du nun verschiedene Ansichten präsentieren und unter den Sachverhalt subsumieren. Natürlich ist es wenig sinnvoll nun zehn ungleiche Meinungen darzustellen. Versuche Dich auf zwei bis zwei Betrachtungsweisen zu beschränken.
Dazu muss man natürlich wissen, welche Ansichten aktuell vertreten werden. Wenn man das während der Klausurvorbereitung gelernt hat, sollte dieser Punkt kein Problem darstellen. Ansonsten kann man jeweils ein Argument gut selbst herleiten, wenn man die typischen Ansichten beachtet:
- Enge und weite Auslegung
- Formelle und materielle Auslegung
- Objektive und subjektive Auslegung
- Abstrakte und konkrete Auslegung
Außerdem solltest Du Formulierungen wie "herrschende Meinung" oder "Mindermeinung" vermeiden. Stelle die erste Auffassung als "eine Ansicht" und jede weitere als "eine weitere Ansicht" oder "einen andere Ansicht" vor.
In Deiner Klausurlösung könntest Du beispielsweise schreiben:
"Eine Ansicht verlangt für den Mord aus Heimtücke das Vorliegen eines besonders verwerflichen Vertrauensbruchs. Es ist also ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Täter (T) und Opfer (O) erforderlich."
Dann musst Du das Ganze noch unter den vorliegenden Sachverhalt subsumieren, also darstellen, wie die Rechtslage im vorliegenden Fall nach dieser Auffassung aussehen würde. Du musst also darlegen, ob ein solches besonderes Vertrauensverhältnis zwischen T und O vorlag oder nicht.
Lag ein solches Vertrauensverhältnis vor, hat sich T nach § 211 II StGB strafbar gemacht, wenn nicht, wird der Mordtatbestand verneint und Du prüfst als nächstes den Totschlag nach § 212 I StGB.
3. Präsentation und Subsumtion der zweiten Auffassung
Im nächsten Schritt stellst Du nun eine weitere Meinung vor. Bleib dabei immer eng am Sachverhalt, damit du besser argumentieren kannst:
"Eine weitere Ansicht nimmt die Einschränkung des Mordmerkmals vor, indem der Definition die Formulierung 'in feindlicher Willensrichtung' hinzugefügt wird. Heimtückisch handelt demnach, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst und in feindlicher Willensrichtung zur Tat ausnutzt."
Auch diese Auffassung wird dann wiederum unter den vorliegenden Sachverhalt subsumiert:
"Im vorliegenden Fall hat T bewusst und in feindlicher Willensrichtung, und damit heimtückisch gehandelt. T hätte sich demnach nach § 211 II StGB wegen Mordes aus Heimtücke zum Nachteil des O strafbar gemacht."
Beim Argumentieren hilft dir das Beherrschen des Gutachtenstils.
4. Stellungnahme zu ungleichen Ansichten
Hast Du die ungleichen Meinungen dargestellt und unter den Fall subsumiert, folgt Deine Anschauung. Dabei geht es darum, zu entscheiden, welches Argument überzeugender ist. Dabei ist die Auslegung der Rechtssprechung im Fokus.
Das bedeutet, dass Du zunächst einmal Argumente für und gegen die jeweiligen Betrachtungsweisen vorbringst und Dich dann anschließend für eine Seite entscheidest.

Hier geht es nicht darum, blind dem Urteil des BGH zu folgen oder die herrschende Meinung zu vertreten, sondern zu einem vertretbaren Ergebnis zu kommen. Dabei gibt es eine grammatikalische Auslegung nach dem Wortlaut sowie eine systematische, historische und teleologische Auslegung.
Nutze für die Argumente Formulierungen wie:
- "Auf diese Ansicht deutet, dass ..."
- "Für die erste Auffassung spricht ..."
- "Darauf deutet der Wortlaut ..."
- "Dagegen spricht der Sinn und Zweck ..."
- "Dagegen spricht aber, dass ..."
In unserem Fall aus dem Strafrecht können wir beispielsweise die Argumente so formulieren:
"Für die erste Ansicht spricht, dass so Tötungen zum vermeintlich Besten des Opfers vom Tatbestand des § 211 II StGB ausgeschlossen werden. Gegen die zweite Auffassung spricht, dass der Begriff des 'besonderen Vertrauensverhältnisses' selbst wiederum einer Auslegung bedarf. Darüber hinaus würden Tötungen durch einen Auftragstäter aus dem Straftatbestand des § 211 II StGB herausfallen, da sich Täter und Opfer hier in keinerlei Vertrauensverhältnis befinden."
Anlehnend an Deine Argumente, solltest Du Dich nun in deinem Statement für eine Seite, also für ein Argument entscheiden. Wie Du Dich entscheidest, ist grundsätzlich Dir überlassen. Du solltest allerdings immer im Hinterkopf behalten, dass sich Deine Entscheidung auch auf das Ergebnis des Falles auswirkt.
Wähle also am besten die Meinung, die Dein Gutachten zu einem für Dich passenden Ergebnis führt und vergiss nicht, abschließend zu subsumieren:
"Deshalb ist mit der ersten Ansicht davon auszugehen, dass hier ein Mord aus Heimtücke vorliegt. Somit hat sich T des Mordes aus Heimtücke nach § 211 II StGB zum Nachteil des O strafbar gemacht."
Achtung: Die Stellungnahme ist natürlich nur notwendig, wenn die ungleichen Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Kommen die diversen Auffassungen zum gleichen Ergebnis, ist eine verkürzte Abhandlung des Meinungsstreits ausreichend.
Typische Fehler, die Du vermeiden solltest
Wenn zwei Auffassungen zum selben Ergebnis kommen, musst du übrigens nicht zwanghaft für eines argumentieren. Es reicht, dass du feststellst, dass beide Auffassungen gleich sind.

Zum Abschluss möchten wir Dich noch auf ein paar typische Fehler hinweisen, die Dich unnötig Punkte kosten und die Du deshalb unbedingt vermeiden solltest.
- Formulierungen wie "herrschende Meinung" oder "Mindermeinung": Wie bereits oben erwähnt solltest Du solche Formulierungen unbedingt vermeiden. Versuche neutrale Begriffe wie "eine Ansicht" und "einen andere Ansicht" oder "eine weitere Ansicht" zu verwenden.
- Nicht-Einhalten der Reihenfolge der Darstellung: Die Reihenfolge der Abhandlung solltest Du unbedingt einhalten. Außerdem ist es üblich, die Meinung, der Du im Ergebnis letztendlich folgen möchtest, als letztes vorzustellen.
- Abstrakte Abhandlung der Meinungen: Es reicht nicht, die ungleichen Betrachtungsweisen vorzustellen und Dich dann in der Anschauung direkt für eine zu entscheiden. Es ist wirklich essentiell, jede Meinung, die Du präsentierest unter den Fall zu subsumieren und Deine Entscheidung mit Argumenten zu stützen.
- Argumente bereits in der Subsumtion: Außerdem solltest Du die Argumente nicht bereits in der Subsumtion der jeweiligen Meinung unter den Fall vorbringen. Erst wenn Du alle Betrachtungsweisen subsumiert hast, geht es in die Argumentation.
Wir hoffen, wir konnten Dir in diesem Artikel ein paar allgemeine Hinweise und Tipps geben. Lies auch unseren Jura Klausur-Leitfaden mit wertvollen Tipps und Tricks!









